Über 100 Jahre DPB - ArGe Pfadfinder

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Über 100 Jahre DPB

Geschichte


     


Über 100 Jahre DEUTSCHER PFADFINDERBUND – DPB
Von Ernst Werner Ludwig, -ewel-, PFADFINDER- GESCHICHTSWERKSTATT . – PGW-  


„Wieviel freiwillige Disziplin lebte damals in dem Riesenorganismus <Pfadfinderkorps> (= Bund). Wieviele fähige und selbständige Menschen ordneten sich streng unter die Regeln und Gesetze des <Korps> und gründeten nicht einfach einen neuen Bund, wenn ihnen etwas nicht passte, wie man es heute tut. …Pfadfindertum hieß damals: Ritterlichkeit, freiwilliger Gehorsam, Zucht (Korpsgeist),  Hilfsbereitschaft, technische und körperliche Gewandtheit, einfache und gesunde Lebensweise.“
(So „Hartmut“, Wilhelm Fabricius, Reichsvogt des DPB, der schon in den Anfängen selbst dabei war, 1931 zum 20. Jahrestag der DPB- Gründung in <Das Lagerfeuer“>,  21. Jg. des <Pfadfinder>, Berlin 1931)

Vor über 100 Jahren, im Januar 1911, wurde in Berlin der Deutsche Pfadfinderbund gegründet.
In ihm fand die Pfadfinderidee in Deutschland ihre organisatorische Gestalt.
Fast alle seit dem Erscheinen des Pfadfinderbuches 1909 entstandenen örtlichen Pfadfinderkorps schlossen ihm sich an.
Diese Gründung wirkte wie eine Initialzündung. An vielen Orten im Reichsgebiet entstanden Pfadfindergruppen. Der junge Bund entwickelte eine eigene begeisternde Dynamik. Die Bewegung erfasste sowohl die Jungen, - die Mädchen kamen 1 Jahr später in ihrem eigenen Bund hinzu -, wie auch jung gebliebene Erwachsene. In Maximilian Bayer erstand dem Bund eine charismatische  Führungspersönlichkeit, die das Ganze ordnete und lenkte und weiter entwickelte.

Der alte Bund


Bei der Beurteilung historischer Ereignisse sollte man sich möglichst in die damals herrschenden Verhältnisse versetzen, um die Bedeutung und Auswirkungen des Geschehens und die Leistung der handelnden Personen gerecht zu würdigen.
Und auch zu klären, ob das, was damals galt, auch heute noch wichtig ist. Ob wir heute dem hohen Anspruch, den die Gründer an sich und die Bewegung stellten, noch gerecht werden.
Der DPB war eine Gründung von unten nach oben. Nicht verordnet, sondern von den seit 1909 entstandenen örtlichen Pfadfindergruppen (Korps) dringend erwünscht als Koordinator und zentraler Ansprechpartner. Der bisher als Förderverein tätige „Jugendsport in Feld und Wald e.V.“, der die ersten Richtlinien für den Aufbau und die Struktur von Pfadfindergruppen und auch die erste Formulierung der 10 Pfadfindergesetze in Deutsch erlassen hatte, musste sich wandeln und wurde zum < Deutscher Pfadfinderbund e.V.>

Die folgenden Grundsätze seiner Arbeit erscheinen mir wesentlich:

1. Der Bund war von Anfang an interkonfessionell.
Das war bedeutsam in einem konfessionell gespaltenen Land, wo die Erziehung weitgehend in Händen der Kirchen lag, wo der „Kulturkampf“ in Preußen nur 2 Jahrzehnte zurück lag und es in manchen Gegenden noch getrennte Toiletten für evangelische und katholische Volksschüler gab. Die Toleranz schloss übrigens auch die jüdische Religion mit ein.

2. Keine Vorurteile gegen jüdische Mitbürger.
Der 1. Vorsitzende des DPB e.V., der Berliner Fabrikant Konsul Georg Baschwitz, war aktives Mitglied der jüdischen Gemeinde Berlins.  Und Ehrenfeldmeister Dr. Alexander Lion entstammte einer Berliner jüdischen Bankiersfamilie. Er trat 1900 anlässlich seiner Hochzeit mit der katholischen Offizierstochter Mathilde Hibl zum katholischen Glauben über.  
Abstammung und Religion dieser und anderer Pfadfinderführer und Mitarbeiter waren im alten Bund kein Thema. Antisemitismus kam erst nach dem verlorenen 1. Weltkrieg auf  und zwar  besonders durch die sog. „Erneuerer“ um den Berliner Pfadfinderführer und evangelischen Pfarrer Martin Voelkel. Infolge der Angriffe trat 1921 Konsul Baschwitz als Vorsitzender zurück. Auch Alexander Lion wurde nach heftigen Auseinandersetzungen mit Voelkel und anderen u.a. auf der DPB- Führertagung 1923 in Dresden wegen seiner jüdischen Abstammung aus dem Bund „herausgemobbt“.     

3. Ohne die damals noch üblichen Klassen- und Standesschranken ging es zu im alten DPB. Das galt sowohl für die jungen Pfadfinder wie auch für die Führer (Feldmeister).
Während der <Wandervogel> fast ausschließlich aus Gymnasiasten und Studenten bestand, war es das Ziel der DPB- Gründer, gerade auch die Volksschüler und Berufsschüler für die Pfadfindersache zu gewinnen. Schon im Vorwort zur 3. Auflage des „Pfadfinderbuches“ äußert sich Dr. Alexander Lion sehr zufrieden, dass „mehr als 50 Prozent der Pfadfinder  n i c h t  den höheren Lehranstalten“ angehören.
Aus dem Pfadfinderkorps BONN berichtet dessen Führer Hans-Egon von Gottberg:“ Aus allen Klassen der Bevölkerung haben wir unsere Jungen, einige aus „ganz roten Betrieben“. Die Jungen sehen eben, dass es nicht leicht ist, in das Korps zu kommen, dass man dem Korps mit ganzem Herzen angehören muss  und dass man dann auch einen Ruf hat.“
Eine große Zahl berufstätiger Jungen in einem Pfadfinderkorps hatte natürlich Auswirkungen auf die Möglichkeiten des Pfadfinderlebens.
Die Schulpflicht endete damals  nach 8 Schuljahren. Mit 14 Jahren kam der Junge in die Lehre oder Arbeitsstelle. Auch samstags wurde gearbeitet und war Schule. Einen Urlaubsanspruch gab es nicht. Die für die Pfadfinder mögliche Freizeit für diesen Teil der Jugend war also äußerst knapp. Wochenlange Großfahrten wie beim Wandervogel waren nicht „drin“.

Auch in der Führerschaft (Feldmeister- Korps) waren alle Stände und Berufe vertreten. <Nur wer die unheilgeladene Atmosphäre jenes Jahrfünfts vor dem (1.) Weltkrieg noch kennt, nur der wird den ungeheuren Erfolg des Aufrufs zur Pfadfinderei begreifen. Hier war ein klarer Weg gewiesen.   Und nun drängte diese ganze frische junge Männlichkeit herbei: Offiziere und Unteroffiziere der Reserve aus allen Ständen und Berufen, blutjunge Leutnants, Studenten aller Hochschulen und Korporationen, dazu jüngere Geistliche beider Konfessionen und Lehrer von Gymnasien und Volksschulen. Und an jedem von ihnen hing ein begeisterter Haufe von Jungen und folgte ihnen durch dick und dünn>

4. Soldatenspielerei?
„Jeder Exerzierdrill ist verboten.
Nur diejenigen mil. Formen dürfen geübt werden, die zur Aufrechterhaltung der Ordnung unbedingt erforderlich sind: Antreten, Marsch in Gruppen ohne Tritt, Halten. Alles andere ist als Soldatenspielerei zu verwerfen.  Waffenragen ist untersagt.“ (Punkt 11 der Leitsätze des DPB)
(1).  
Soweit es „Ausreißer“ gab, ging das in der Regel von unbedarften Zivilisten aus, nicht aber von aktiven Soldaten und Offizieren, die in ihrer Freizeit als Pfadfinderführer tätig waren. Hierzu  schreibt  Carl Frhr. von Seckendorff, ehem. 2. Reichsfeldmeister zum Gottberg- Gedenken 1930 ,  
(2)
<Gottberg war, wie damals zahlreiche andere Pfadfinderführer, aktiver Offizier, der sich mit voller Begeisterung seiner Pfadfinderei widmete. Nicht „obwohl“ er aktiver Offizier war, sondern w e i l er es war, bekämpfte er wie wir Offiziere alle, jegliche Soldatenspielerei. Unser Beruf war uns auch viel zu heilig und zu ernst, als dass wir ihn in kindlichem Spiel nachäffen ließen oder gar die Hand dazu geboten hätten. Gerade wir aktiven Offizieren erkannten am sichersten die große Gefahr, die in einer sog. „Militarisierung der Jugend“ lag. >

5. Die Einheit des Pfadfindertums in Deutschland bewahrt hat der alte DPB. Er war eine Gründung von unten nach oben. <Auch die Einrichtung einer Zentrale, nämlich des Deutschen Pfadfinderbundes mit Sitz in Berlin war keine künstliche Gründung, sondern sie entstand notgedrungen aus dem Wunsche der rasch entstehenden Pfadfindervereine, dass ein Mittelpunkt geschaffen werde, der leitend und ordnend wirke>
(3) . Die örtlichen Gruppen hatten eine große Selbständigkeit. Geführt wurde überwiegend durch Appell an die Einsicht und Freiwilligkeit. Die „Ehre eines Pfadfinders“ spielte eine wichtige Rolle. Z.B. war der Bezug der seit dem 01.01.1912  monatlich erscheinenden Bundeszeitschrift <Der Pfadfinder> und seiner Beilage <Der Feldmeister> freiwillig. Kein Zwangsbezug über den Mitgliedsbeitrag.
Auch Kritik wurde ernst genommen, toleriert und sogar in der Bundeszeitschrift abgedruckt. Als Beispiel wird unten der der Artikel < Äußeres vor Innerem - Abzeichen oder Geist? > des Bonner Hauptfeldmeisters Hans- Egon von Gottberg abgedruckt
(4),  der auch einige „Kinderkrankheiten“ der jungen Bewegung benennt.
Es gelang, den Pfadfindergedanken in ganz Deutschland bekannt zu machen  und ein nahezu flächendeckendes Netz von Pfadfindergruppen aufzubauen.
Und dieses hat sich als tragfähig. erwiesen, alle Verluste und Schwierigkeiten im 1. Weltkrieg und vor allem danach zu überstehen, offen zu sein für neue Ideen und Reformen, wenn das auch seine Zeit brauchte. Auch nachdem der DPB 1924 endgültig zu seiner bündischen Form gefunden hatte, blieb er der größte und qualitativ  hervorragende Bund  der bündischen Jugend bis zu Verbot und Auflösung 1933.

FAZIT: Wir können heute mit Dankbarkeit und Hochachtung an das erinnern, was unsere Vorgänger vor 100 Jahren für die Pfadfinderidee geleistet haben. Dieses Fundament ist auch – vielfach unbewusst- im heutigen Pfadfindertum spürbar. Ein ehrendes Gedenken gilt den führenden Persönlichkeiten auf allen Ebenen, die unter vielen Opfern und mit großer Energie mit dem DPB das Pfadfindertum hier aufgebaut und weiter entwickelt haben.
Ihr Beispiel soll uns erinnern, der Pfadfinderidee in unserem Leben den angemessenen Stellenwert einzuräumen; bereit zu sein, für Jungen und Mädchen Verantwortung zu übernehmen als Pfadfinderführer /-führerin oder in unterstützenden Funktionen und zwar nachhaltig und mit vollem Einsatz.  Denn auch in der späteren „bündischen Phase“ ab 1919 /20  war „die unbedingte Hingabe an den Bund“ ein gemeinsames Merkmal der Bünde.

Ach ja, das Gründungsdatum:


Alexander Lion nennt im Vorwort zur 3. Auflage. des Pfadfinderbuches den 18. Januar 1911 als Gründungsdatum. So auch in anderen Veröffentlichungen des DPB ab 1911.
Nun haben aber neuere Forschungen, insbesondere von Dr. Stefan Schrölkamp –schöppy- Berlin, ergeben, dass die Gründungsbeschlüsse mit Satzung usw. schon einige Tage vorher, nämlich bei einer erweiterten Vorstandssitzung des Vereins „Jugendsport in Feld und Wald e.V.“ in Berlin am 9. Januar 1911 gefasst wurden. Es gibt darüber auch entsprechende Pressemeldungen.
Dennoch ist dies kein Widerspruch. Die Gründer wollten wohl, dass die Beschlüsse erst mit Wirkung vom 18. Januar  in Kraft treten sollten. Es war ein symbolisches Datum.
So trug z.B. auch der Jugendpflege- Erlass des preußischen Kultusministers das Datum des 18.01.1911.
Es war das Recht der Gründer, das Datum der Wirksamkeit ihrer Beschlüsse selbst zu bestimmen.  Und wir machen keinen Fehler, wenn wir ihren Willen respektieren und das Gründungsdatum  18. Januar 1911 verwenden.      

Schlicht und bescheiden trat der DPB ins Leben. Keine Aufmärsche, kein Kaiser Wilhelm, keine „show“. Auch kein pompöses Hotel. Die Gründer tagten schlicht und kostensparend im Haus ihres 1. Vorsitzenden Konsul Baschwitz in Berlin.
Sogar das Pfadfinder- Abzeichen, das später sog. <Schachbrett>, wurde nicht feierlich vom Kaiser verliehen sondern erst ein halbes Jahr später nach Entwurf des Pfadfinderkorps Frankfurt a.M. durch Vorstandsbeschluss eingeführt.

Warum 18. Januar?
Der 18.Januar 1911 war der 40. Jahrestag der Reichsgründung.
Noch mitten im erfolgreichen Abwehrkampf gegen eine französische Aggression wurde am 18.01.1871 im Spiegelsaal des Schlosses Versailles bei Paris der König von Preußen, Wilhelm I, zum Staatsoberhaupt des neuen Bundesstaates Deutsches Reich ausgerufen mit dem Titel <Deutscher Kaiser>. Deutschland hatte endlich seine Einheit gefunden.
Der 18. Januar hatte noch eine weitere geschichtliche Bedeutung. Am 18.01.1701
wurde in Königsberg der Kurfürst Friedrich von Brandenburg zum ersten König in (später von) Preußen gekrönt. So war das Datum der Kaiser- Proklamation 1871 nicht zufällig gewählt.
Die Einheit Deutschlands ermöglichte einen ungeheuren wirtschaftlichen und technischen Aufschwung. Und brachte eine bis dahin seltene Epoche des Friedens von über 40 Jahren.
Es ist daher verständlich, dass die Gründer des DPB gerade diesen Tag als Start- Datum für ihr Werk sehen wollten.


Archiv Dr. Schrölkamp, Berlin


Grußkarte von der DPB- Gründungssitzung am 09.01.1911 an Lehrer Hans Steinmetz, Bamberg, der Mitarbeiter (Sportteil) des Pfadfinderbuches war, und mit A. Lion, Bamberg, dort eine Pfadfindergruppe aufbaute.

TEXT: „Deutsches Pfadfinderkorps –
Jugendport in Feld und Wald
Von dem neu gegründeten Deutschen Pfadfinderbund, dem sämtliche Pfadfindervereine unter Wahrung ihrer Selbständigkeit angehören, dem wackeren Vorkämpfer  herzliche Grüße“
Unterschriften (von oben nach unten):
Das ist aber keine vollständige Anwesenheitsliste.
Frau Professor Baume, Dr. Singer , Bayer, Lion, v. Seckendorff. Baschwitz,
W. Czaya, v. Niebelschütz, Hilliger, Gilliger
Offenbar aufgrund einer Pressemitteilung des DPB- Vorstandes –Schriftführer Dr. Singer- gab es mehrere Presse- Nachrichten: u.a.

„Gründung eines deutschen Pfadfinderbundes.
Das englische Muster der „scout boys“ hat bei uns Schule gemacht. Der Verein „Jugendsport in Feld und Wald“ hielt gestern unter der Leitung seines 1. Vorsitzenden Georg Baschwitz eine Vorstandssitzung ab. Es wurde die Gründung eines „Deutschen Pfadfinderbundes“ beschlossen, dem die sämtlichen auswärtigen Vereine beitraten.“
BERLINER TAGEBLATT und Handelszeitung vom 11.01.1911.
„Der Verein Jugendsport in Feld und Wald“ hielt unter der Leitung seines 1. Vorsitzenden, Fabrikbesitzer Georg Baschwitz, eine Vorstandssitzung ab, an der auch Vertreter der auswärtigen Vereine der Pfadfinderbewegung teilnahmen.
Alle Berichte bestätigen übereinstimmend das Anwachsen der Pfadfinderbewegung, die namentlich in den Kreisen der Volksschüler Eingang gefunden hat. Auch die in Betracht kommenden Behörden Preußens und Bayerns haben, wie Sanitätsrat Dr. Singer mitteilte, großes Interesse für die Sache bekundet und Förderung zugesagt. Es wurde die Gründung eines Deutschen Pfadfinderbundes beschlossen, dem die sämtlichen auswärtigen Vereine beitraten.“
DEUTSCHE WARTE; Berliner Illustr. Tageszeitung vom 13.01.1911.


Foto: Archiv Dr. Schrölkamp, Berlin


Der DPB- Vorstand zum Glückwunsch ( 60. Dienstjubiläum) beim großen Förderer:
Gottlieb Graf von Haeseler, Generalfeldmarschall. –rechts.
3. von rechts: 1. Vors DPB . Georg Baschwitz
4. von rechts: 2. Vors. und Reichsfeldmeister M.Bayer .

Der folgende Artikel erschien in der Führungsschrift „Der Feldmeister“  1914  S.12 und gibt einen Eindruck von den Schwierigkeiten und Problemen, denen sich die ersten Pfadfinderführer gegenübersahen. Aber auch von der Ernsthaftigkeit, mit der sie ihre Aufgabe als Jungen –Erzieher wahrnahmen. Einige Probleme (Rauchen, Alkohol) beschäftigen uns auch heute noch.

„Äußeres vor Innerem ? Abzeichen oder Geist?
Von Hauptfeldmeister, Leutnant von Gottberg, Bonn.


In Stadt und Land, überall geht unser Gedanke vorwärts, überall gewinnt die Pfadfinderei Boden, überall schreitet sie voran. Dennoch, dennoch hört man so oft Klagen, berechtigte Klagen von Leuten, die es gut mit uns meinen. So trat nach dem Rheinisch- Westfälischen Pfadfinder-Landestag (12. Oktober 1913)  ein maßgebender Bonner Herr an uns heran und klagte bitter darüber; die Pfadfinder, die 500 Jungen stark in Bonn gewesen seien, wären nur zum allergeringsten Teil solche Pfadfinder, wie sie das Pfadfinderbuch vorschreibe.
Erstaunt fragten wir nach dem Grund  seiner Vorwürfe. Ist es Pfadfinderart, geputzt mit Gefreitenknöpfen, Militärachselklappen, Unteroffizierstressen, Säbeln usw.
herumzulaufen; ist es Pfadfinderart, in der Tracht Zigaretten rauchend durch die Straßen zu schlendern; ist es Pfadfinderart, sich in Tracht auf offener Straße herumzuprügeln? Für alle drei Fälle nannte der Herr mehr als ein Beispiel. Still und ruhig musste das Bonner Korps all dies einstecken.

Deshalb noch einmal die Ansichten, die wir schon am Pfadfinder- Landestag in Bonn vorbrachten.
Wozu die Achselklappen, die Tressen, die Säbel wozu ?? „Um die Jungen zu fesseln“ erhält man so oft zur Antwort, „der Sinn der Jungen hängt an so etwas“. Rundweg möchte ich behaupten, dass dies nicht wahr ist. Wohl lockt es zehn- und elfjährige Knaben allenfalls. Je älter die Jungen werden, je mehr verachten sie dieses Nachäffen militärischer Abzeichen.
Für unser Korps hatten wir nach dem Muster der holländischen Pfadfinder bunte Kornettschafts- Abzeichen (Sippenbänder) eingeführt; außerdem trugen die Spielleute „Schwalbennester“. Kaum hatte der Reichsfeldmeister bekannt gegeben, dass er solche Abzeichen nicht wünsche, so wurden sie an Ort und Stelle von unseren Jungen abgerissen.. Keinem fiel es ein, deshalb aus dem Korps zu gehen. Dasselbe hat das uns eng befreundete Kölner Korps getan, es ist seitdem nur gewachsen.
Kann aber ein großer Bund ein einiges Ganzes sein, wenn jedes Korps andere Abzeichen trägt, wenn die Pfadfinder zweier fremder Korps beim Zusammentreffen sich immer erst fragen müssen, was die gegenseitigen Abzeichen bedeuten?   
Möge doch jedes Korps die vom Bund gestatteten Abzeichen tragen und vor allem die uns eigenen Kornettschafts- Fähnchen ( = Sippen- oder Horten WIMPEL) führen. Als seine Majestät der Kaiser hier am Bahnhof Bonn mit einem „Guten Abend, Pfadfinder !“ an das Korps herantrat, da hat er uns an diesen  Fähnchen und an unserem Gruß erkannt, nicht an irgendwelchen selbst erfundenen Abzeichen. Warum tragen so viele Korps diese unsere Abzeichen aber nicht?
Und je bunter die Abzeichen eines Korps sind, desto geringer seine Leistungen, desto schlechter sein Geist; das ist eine sichere Beobachtung.


Hans- Egon von Gottberg , geb. 03.08.1891 in Metz,
gest. 10.10.1914 in Bonn durch Kriegsverwundung.


Genau so verhält es sich mit Rauchen und Alkoholtrinken in Tracht, Bei uns ist es verboten und wir Führer brauchen uns nicht ums Innehalten des Verbots zu kümmern, das sorgen schon die Jungen unter sich dafür. Abgesehen von den ethischen und gesundheitlichen Grüneden fordern wir unsere Feinde zur Kritik, unsere Freunde zu abfälligem Urteil  damit heraus.
Und wieder sehe ich Führer vor mir stehen, die mir sagen“ ich kann doch den großen, 17 jährigen Jungen das Rauchen nicht verbieten“.  Nein, nur verbieten, dass kann ein Führer nicht, weder den Älteren noch den Jüngeren., aber er kann sich ruhig zu sich herrufen und sagen „ das und das sind meine Gründe, ich und alle Eure Führer haben sich verpflichtet, bei Pfadfinderübungen und in Tracht nicht zu rauchen und (Alkohol) zu trinken , es ist dann für euch recht und billig, es auch nicht zu tun; wer nicht genug Energie hat, sich dies aufzuerlegen, kann gehen.“  Wieder sehe ich Feldmeister entrüstet vor mir stehen: „Aber das kann doch keiner von mir altem Herrn verlangen?“ Nein, gewisslich nicht, die Jugend muss - sich und die Erwachsenen scheiden lernen. Aber stets reißt nur das persönliche Bespiel mit sich fort. Und allen Führern, die das nicht verstehen wollen, Schillers Worte:
„Wer’s nicht edel und nobel treibt, lieber weit weg vom Handwerk bleibt“.

Dann ein paar Worte über Neuaufnahmen.
Bei uns macht jeder „Grüne“ (von engl. greenhorn  = Neuling) 4 Probesonntage, dann wir er durch Kornett – und Feldmeister- Abstimmung  aufgenommen, nachdem er durch Handschlag beim rangältesten Feldmeister  sich zu allen Pfadfinderpflichten (= Gesetze)  gelobt hat.
Ein Herr, der Feldmeister werden will, macht drei Monate Probezeit und wird dann durch Feldmeister- Abstimmung gewählt.
Unser Korps ist klein, 70 Pfadfinder, aber durch diese festen Grundsätze ist es uns gelungen, gegen Hass, Feindschaft und Spott zum unbestritten ersten Verein der Stadt geworden zu sein. Bereits verhandeln andere Vereine mit uns, nach unserem Muster sich umzugestalten und dann dem DPB sich anzuschließen. Allen fremden Korps empfehle ich diese Art der Aufnahme.
Entrüstet sehe ich wieder Führer vor mir stehen: „ Aber dann bleibt ja niemand bei uns und kommt niemand zu uns“. Falsch geraten. Auch uns weissagten Unglücksraben dasselbe; das Gegenteil trat natürlich ein.
Aus allen Klassen der Bevölkerung haben wir unsere Jungen, einige aus „ganz roten Betrieben“. Die Jungen sehen eben, dass es nicht leicht ist, in das Korps hineinzukommen, dass man dem Korps mit ganzem Herzen angehören muss und dass man dann auch einen Ruf hat. Über 300 könnten wir zählen, wenn wir alle nehmen wollten, die da kämen. Aber nicht die Zahl siegt, sondern der Geist und der Wille – überall in der Welt-. Und wenn die sittlichen Ideale unseres prächtigen Pfadinderbuches sich nicht überall in die Tat umsetzen, so wird das uns allen, dem ganzen DPB schaden.
Wir Pfadfinder stehen auf erhöhtem Punkt, das beweisen die vielen Angriffe auf uns. Wenn wir unseren Feinden uns Kritikern  nicht berechtigten Grund zum abfälligen Urteil geben wollen, wenn wir unsere Freunde nicht abstoßen wollen, dürfen wir nie und nimmermehr Sachen und Ansichten in unseren Reihen dulden, die mit der Pfadfinderei unvereinbar sind. Wenn der Westdeutsche Pfadfinder- Landestag alle Korps dieser Landesteile dahin beeinflusst hat, das abzustellen, wenn alle Korps, die in Tracht  noch rauchen, trinken oder Militär spielen, das ablegen, dann nehmen wir hier in Bonn so manchen Vorwurf, den wir fast hinfällig gemacht hatten, und der seit dem 12.10.1913  neu erwacht ist, gern an  und schlagen ihn nieder mit den Worten unseres Prologs vom 1. Stiftungsfest:

„ALLZEIT BEREIT“ das gilt nicht nur für heut, für morgen auch und für die Ewigkeit“





(1) Martin Voelkel im Nachwort zu Maximilian Bayers Buch „Helden der Naukluft“, Neuausgabe 1931 zum 20. Jahrestag des DPB.
(2) Jungd. PFADFINDERBUCH, 5.Aufl. 1914; S. 235
(3) „Die Nibelungen“ Bundesblatt der DPS, Heft 10, S.3
(4) Alexander Lion, Vorwort zur 3. Auflage des Pfadfinderbuches
(5) „Der Feldmeister“ Jg.1914, Seite 12 - 13





























































 
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